Rede zur VEEK – 31.12.2018 – Handelskammer Hamburg
André Mücke – Vizepräses
(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Tschentscher,
sehr geehrte Senatorinnen und Senatoren,
sehr geehrter Herr Mengers,
sehr geehrte Frau Gollian,
sehr geehrte Kauffrauen und Kaufmänner,
liebe Mitglieder der VEEK,
sehr geehrte Damen und Herren,
Hamburg und der Hamburger Wirtschaft geht es gut. Wir befinden uns in einer
der längsten Aufschwung-Phasen der Nachkriegszeit – auch wenn der DAX in
diesem Jahr erstmals nach 2008 wieder sehr kräftige Verluste verzeichnen
musste.
Gemäß unserer aktuellen Konjunkturumfrage sind Hamburger Unternehmen im
Herbst 2018 mit ihrer Geschäftslage insgesamt zufrieden.
Die Agentur für Arbeit berichtet jeden Monat neue Rekordzahlen.
Und in guten Zeiten, da müssen wir alle gemeinsam gestalten – und zwar den
richtigen und erfolgreichen Weg in eine starke, dynamische wirtschaftliche
Zukunft - um uns vor Krisen schützen.
Denn die klugen Kaufleute sorgen vor.
Meine Botschaft ist daher: Lassen Sie uns gemeinsam anpacken für ein
modernes, soll heißen: digitales und nachhaltiges Hamburg.
Ich stehe heute hier vor Ihnen nicht nur als Vertreter des Präses der
Handelskammer, sondern auch als Vertreter einer neuen Kammer. Und diese
neue Kammer soll eine Institution der Demokratie, des Wandels und der
Erneuerung sein.
In dieser neuen Kammer wollen wir Zukunft gemeinsam denken, diskutieren
und dann die notwendigen Schritte dafür im Konsens verabreden. So wie es
das IHK-Gesetz vorsieht.
Die Unternehmerschaft wird – wie auch die Gesellschaft – immer komplexer
und vielfältiger, manchmal ist diese Vielfältigkeit auch widersprüchlicher als
früher.
Eine zeitgemäße Handelskammer sollte für diese Vielfältigkeit daher moderne
und tragfähige Rahmenbedingungen bieten, um dann - und das ist das
Wichtigste – diese Meinungen und Stimmen in konstruktives, zielorientiertes
und erfolgreiches Handeln übersetzen.
Über Jahrzehnte war die Handelskammer Hamburg – wie viele andere IHKs
auch - vor allem auf „Senden“ eingestellt. Doch das Bundesverfassungsgericht
hat vor kurzer Zeit noch einmal deutlich gemacht, dass eine Handelskammer
zunächst einmal „zuhören“ muss.
Erst, wenn wir wissen, was die Wirtschaft wirklich will – und ich meine die
ganze Wirtschaft, nicht nur die Kleinen oder die Großen oder die Lautstarken -,
erst dann können wir auch mit großem Selbstbewusstsein die Meinung der
gesamten Wirtschaft gegenüber der Politik vertreten.
Erst dann sind wir eine echte Gesamtinteressensvertretung.
Erst dann ist die Kammer wirklich stark.
Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner
Weihnachtsansprache vor Sprachlosigkeit in der Gesellschaft gewarnt, weil die
Demokratie politischen Streit und Kompromisse brauche. Er sagte „Wir müssen
wieder lernen zu streiten - ohne Schaum vorm Mund - und lernen, unsere
Unterschiede auszuhalten. Wer Streit habe, könne sich auch wieder
zusammenraufen. Aber wer gar nicht spricht und erst recht nicht zuhört, kommt
Lösungen kein Stück näher.“
Diese Worte haben mich auch an die zurückliegenden 21 Monate erinnert, denn
das demokratisch gewählte Plenum dieser Handelskammer ist immer wieder
auf das heftigste attackiert worden. Das Präsidium ebenfalls.
Ja, meine Damen und Herren – das will ich gar nicht verhehlen - es sind von
uns Fehler gemacht worden.
Aber es gehört eben auch zur Wahrheit: Auch viele Präsidien vor uns haben
Fehler gemacht. Davon kann sich keiner freisprechen. Denn wenn die Präsidien
vor uns keine gravierenden Fehler gemacht hätten, wäre unser Wahlsieg
kleiner ausgefallen.
Wichtig ist doch aber, dass wir nun einander zuhören. Aufgeschlossen.
Reflektierend. Respektvoll. Immer mit einem offenen Ohr und der Möglichkeit,
dass auch einmal der andere Recht haben könnte.
Denn wir können uns doch sicherlich auf diese eine Formel einigen:
Wir möchten gemeinsam dem Wohlstand Hamburgs und dem Gedeihen der
Wirtschaft dienen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie eine gute Diskussion in Zukunft
gelingen kann:
Die Wahlbeteiligungen bei Handelskammer-Wahlen sind traditionell niedrig.
2014 lag die Wahlbeteiligung bei 9,6%.
2017 lag sie bei 17,6%.
Wir können uns doch sicherlich alle darauf einigen: Beides ist Mist.
Niedrige Wahlbeteiligungen sind immer schlecht für die Demokratie.
Hilft es uns wirklich, nun zu diskutieren, welches Plenum „legitimierter“ war?
Ich denke nicht. Lassen Sie uns lieber darüber nachdenken, wie wir mehr
Menschen und mehr Mitglieder davon begeistern können, sich für die
Handelskammer zu engagieren – und mindestens wählen zu gehen.
Das ist doch die wahre Herausforderung!
Und dass Menschen sich für das engagieren, was wir hier machen, dafür gibt
es seit einigen Tagen sogar einen wunderbaren Beweis:
Wir haben in den letzten Wochen 20 Millionen Euro zu viel gezahlter Beiträge
an unsere Mitglieder zurückerstattet. Das hatte uns ein Oberverwaltungsgericht
so vorgeschrieben. Und wir haben gleichzeitig einen Azubi-Fonds eingerichtet,
der Mittel zur Verfügung stellen soll, um die Attraktivität der dualen
Berufsausbildung zu steigern.
Wir haben jeden Zahlungsempfänger gebeten, sich zu überlegen, seine
Erstattung in die Zukunft der Hamburger Wirtschaft, in die Auszubildenden und
in den Nachwuchs zu reinvestieren. Denn wir alle wissen, wie wichtig guter
Nachwuchs in unseren Unternehmen ist.
Und wissen Sie, wie viele Unternehmen dies bislang gemacht haben?
Bisher haben 2.700 Unternehmen freiwillig Geld gegeben! Die meisten von
ihnen sind Klein- oder Kleinstbetriebe.
Das – meine Damen und Herren - ist für mich Zeichen und Beweis dafür, wie
positiv der Geist einer guten Idee in der Handelskammer wirken kann.
Ich möchte mich ganz ausdrücklich und herzlich für diese Großzügigkeit bei
diesen Unternehmerinnen und Unternehmern bedanken.
Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Menschen gesprochen, um zu
erfahren wie die Lage wirklich gesehen wird. Ich habe viel Zuspruch und
Unterstützung für unseren Kurs erfahren. Auch Aufmunterung. Und da bin ich
ganz ehrlich: Das tat mir gut. Ich bin kein Vollblut-Politiker oder Funktionär. Ich
bin in erster Linie ein Hamburger Unternehmer, der dieser Institution und ihren
Mitgliedern dienen will.
Und gerade nach den ganzen guten Gesprächen rufe ich Ihnen heute zu:
Lassen Sie uns die Scharmützel der Vergangenheit endlich beenden. Es hat in
dieser Stadt niemand ein Interesse daran!
Lassen Sie uns gemeinsam nach vorne denken und handeln. Es liegen eine
Menge Aufgaben vor uns. Dafür brauchen wir die Mitarbeit und Unterstützung
aller, die sich für das Wohl der Hamburger Wirtschaft einsetzen.
Denn wir sind gemeinsam besser als das, was bislang war.
Und die erste Zwischenbilanz nach 21 Monaten kann sich doch durchaus sehen
lassen:
- Wir haben die Ausschüsse gestärkt - gemeinsam.
- Wir haben unsere Plenarsitzungen öffentlich gemacht - gemeinsam.
- Wir haben mit PLAN A eine Strategie für mehr Azubis und mehr
Fachkräfte geschaffen und erfolgreich zum Leben erweckt –
gemeinsam.
- Wir haben mitgeholfen, dass die Zahl der Ausbildungsverträge in
diesem Jahr erstmals wieder gestiegen ist.
- Wir haben unseren Mitgliedern 20 Millionen Euro Beiträge
zurückerstattet.
- Und wir haben für die Zukunft die Beiträge für 99 Prozent unserer
Mitglieder gesenkt.
Das ist die Kammer, für die wir uns alle ehrenamtlich einsetzen.
Mit der wir die Zukunft gestalten wollen.
Aber es gehört eben auch zu unserer Zwischenbilanz, einzugestehen, dass es
Misserfolge gab. Wir haben die Abschaffung der Pflichtbeiträge nicht umsetzen
können. Dies wäre nur möglich, wenn man das IHK-Gesetz in ganz
Deutschland ändern würde. Das Bundesverfassungsgericht hat dies noch
einmal klipp und klar zum Ausdruck gebracht.
Aber unterliegen Sie bitte nicht dem Irrtum, das neue Ehrenamt der
Handelskammer auf ein einziges Thema zu reduzieren - oder dass das der
einzige Grund ist, warum wir gewählt wurden.
Wer das tut, der trägt dazu bei, dass viel Gutes, das wir erreicht haben, nicht
öffentlich gehört wird.
Darum lade ich Sie heute ein:
Lassen Sie uns gemeinsam unsere Anstrengungen in den Dienst der Sache
stellen.
Lassen Sie uns die Handelskammer zu einer Kammer für alle machen.
Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen.
Aber seien Sie versichert: Bei allem, was wir tun, stellen wir die Ermittlung des
Gesamtinteresses der Wirtschaft in den Mittelpunkt unserer Arbeit.
Wir wollen eine agile, demokratische, bunte, lautstarke, meinungsverschiedene
und solidarisch-kontrovers argumentierende Handelskammer.
Nur wer dem Wettstreit der Argumente einen Raum gibt, der wird
überzeugende Ergebnisse bekommen.
Wir wollen mit einer Wahlrechtsreform, der Reform unserer Satzung und des
Finanzstatuts wichtige Punkte setzen, die vom Geist dieses neuen
demokratischen und transparenten Kammerverständnisses geprägt sind.
Wir laden alle, die es gut meinen mit der Kammer, dazu ein, mit uns
gemeinsam eine neue, eine bessere Kammer zu formen.
Und es ist doch in der Kammer wie in unseren Unternehmen:
Man muss Produkte immer wieder in Frage stellen, neu erfinden und
verbessern.
Manchmal scheitert man dabei. Das ist aber nicht schlimm, solange man es
weiter versucht.
Am Ende steht ein neues, ein besseres Produkt.
Lassen Sie uns allen zeigen, dass wir eine bessere Kammer schaffen können.
Ich möchte Ihren Blick nun auf vier Themen lenken, die wir in der
Handelskammer für entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Hamburgs halten -
und welche Bitten und Forderungen wir daraus an uns selbst, unsere
Mitarbeiter und an die Hamburger Politik ableiten.
Die vier Zukunfts-Themen für den Wirtschaftsstandort Hamburg sind:
Erstens:
Die Steigerung der Internationalität
Zweitens:
Eine bestmögliche Fachkräfteversorgung und größere Fortschritte in der
Digitalisierung
Drittens:
Die Chancen, die sich aus den Herausforderungen des Klimaschutzes und der
Energiewende ergeben
Viertens:
Die Förderung von Wissenschaft und Innovation.
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Ich beginne mit der Internationalität.
Ideen entstehen, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher
Lebenserfahrung und mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam versuchen,
Probleme zu lösen. Internationalität ist daher ein wichtiger Aspekt, um den
Wandel unseres Standortes dynamischer zu gestalten.
Wenn man aber untersucht, WIE international Hamburg heute wirklich ist,
kommt man in Teilen zu ernüchternden Ergebnissen.
Der Anteil der ausländischen Studierenden beträgt in Hamburg 8,5 %. In Berlin
sind es über 15 % und in Bremen noch über 11 %.
Auch bei den Arbeitnehmern haben andere Städte die Nase vorn. In Hamburg
haben 13,5% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen
ausländischen Pass. In Frankfurt sind es 28,4% und in München 27,8%.
Hamburg braucht daher eine neue Strategie, um in Sachen
Internationalisierung zu einem Vorreiter zu werden!
Dabei sollten wir auf die Stärken bauen, über die wir bereits verfügen.
Eine Stärke sehe ich zum Beispiel in den vielen international geprägten
Unternehmen, die es am Standort gibt. Wir gehen davon aus, dass in den
Firmen, die im Handelsregister eingetragen sind, rund 15.000 Führungskr.fte
einen ausländischen Pass haben.
Die international geprägten Unternehmen und die Menschen, die
dahinterstehen, sind für uns ein Segen. Sie zahlen Steuern, sie schaffen Jobs,
sie entwickeln neue Angebote und Produkte. Auf dieses Fundament können wir
bauen, wenn wir Hamburg als internationalen Standort weiterentwickeln wollen.
Wir brauchen mehr ausländische Studierende, Fachkräfte, Unternehmen,
Startups und Netzwerke in Hamburg, nicht weniger!
Für die Internationalisierung gibt es bislang keine systematische Grundlage.
Wir bitten den Senat daher, ein deutliches Zeichen zu setzten und eine solche
Internationalisierungsstrategie im engen Schulterschluss mit der Wirtschaft zu
entwickeln.
Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, das es uns ermöglicht, gezielt
Menschen mit ihren Fähigkeiten ins Land zu holen.
Und diejenigen mit den notwendigen Fähigkeiten zu versehen, die bereits bei
uns sind!
Das Bundeskabinett hat zwischenzeitlich das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
beschlossen. Das ist grundsätzlich erst einmal positiv.
Bedauerlich ist aus Sicht der Wirtschaft allerdings, dass ein sogenannter
„Spurwechsel“ – also die Statusänderung von Asyl zur Arbeitsmigration - nur
unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen ist.
Ich hoffe, dass die im Gesetz vorgesehene Beschäftigungsduldung nicht zu
hohe bürokratische Hürden mit sich bringt. Die Unternehmen dürfen NICHT
davon abgeschreckt werden, weiterhin Geflüchtete auszubilden.
Über 700 geflüchtete Jugendliche konnten bereits in eine Ausbildung in unsere
Handelskammer-Berufe vermittelt werden.
Das ist aus meiner Sicht ein großartiger Erfolg und zeigt, dass die
Anstrengungen von Unternehmen, Handelskammer, Politik und
Arbeitsverwaltung sehr gute Früchte tragen.
Sollten nun allerdings gesetzliche Vorgaben dazu führen, dass Geflüchtete, die
bereits gut in den Arbeitsmarkt integriert sind, dennoch abgeschoben werden,
wäre dies sehr zum Leidwesen der betroffenen Unternehmen.
Hier sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einmal nachgebessert
werden, und zwar in erster Linie mit Blick auf die Unternehmen, die mittlerweile
händeringend Fachkräfte suchen.
Die gute Nachricht ist aber:
Wir haben angefangen - und uns auf den Weg gemacht.
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Damit sind wir beim zweiten Zukunfts-Thema.
Bei unserer letzten Konjunkturbefragung gaben 60 % der Hamburger
Unternehmen an, dass die Besetzung und Entwicklung von Fachkräften zu
ihren größten Geschäftsrisiken zählt.
Vor 3 Jahren lag dieser Wert erst bei knapp 30%.
Unsere Handelskammer spielt durch ihre Aufgabe als Hüterin der dualen
Ausbildung in der Fachkräftefrage eine zentrale Rolle.
Darum haben wir unsere Aktivitäten auf den Prüfstand gestellt und eine
Dachmarken-strategie entwickelt, um die Zukunftsfähigkeit der dualen
Berufsbildung zu stärken.
Die Strategie heißt „Plan A“ und umfasst sieben Handlungsfelder, darunter die
Felder Orientieren und Begeistern. Denn klar ist doch: Ziel muss es dabei sein,
Jugendlichen – auch mit Abitur – die Vorteile und Perspektiven einer dualen
Berufsausbildung klarer herauszustellen.
Was viele nicht wissen: Mit einer Ausbildung und anschließender Fortbildung
zum Fachwirt, Meister oder Betriebswirt wird eine gleichwertige
Qualifikationsstufe zum Bachelor oder sogar Master erreicht.
Das Gute daran: Ab morgen – ab dem 01.01.2019 – erhalten die erfolgreichen
Absolventinnen und Absolventen der Fortbildungsprüfungen – das sind jährlich
rund 1.000 Fachwirte, Industriemeister und Betriebswirte in unserer
Handelskammer – eine Meisterprämie in Höhe von 1.000,- EUR von der Freien
und Hansestadt Hamburg.
Dafür möchten wir dem Senat auch gerne einmal Danke sagen.
Es reicht aber nicht allein, junge Menschen abzuholen, zu begeistern, zu
motivieren und aus- und fortzubilden. Junge Auszubildende brauchen in
Hamburg auch bezahlbaren Wohnraum.
Azubi-Wohnheime können hier eine Lösung sein.
Die Handelskammer unterstützt das erste Azubi-Wohnheim in Wandsbek, aber
es gibt noch viel zu tun:
Um das in Zahlen zu verdeutlichen:
Es gibt heute ein fertiges Azubi-Wohnheim mit 156 Plätzen für Azubis.
Zum Vergleich: Das Studierenden-Werk Hamburg betreibt 25 Wohnanlagen mit
ca. 4.350 Plätzen für Studierende. (Das ist noch ein kleiner Unterschied)
Eine große Herausforderung wird es zudem sein, die duale Ausbildung
digitalisierungsfest zu machen.
Es gibt derzeit SEHR unterschiedliche Prognosen über den Wegfall von
Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung.
Unsere Handelskammer geht auf Basis einer Studie davon aus, dass in
Hamburg trotz Digitalisierung auch zukünftig die Nachfrage nach Fachkräften
deutlich größer sein wird als das Angebot.
Und natürlich wird es zu Umschichtungen auf dem Arbeitsmarkt kommen. Die
Arbeitsplätze, die im Zuge der Digitalisierung neu entstehen, werden in der
Masse deutlich andere und oft auch höhere Kompetenzen der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfordern.
Daher müssen digitale Grundkompetenzen bereits in den allgemeinbildenden
Schulen und während der Berufsausbildung vermittelt werden.
Der künftige Erfolg des Standortes Hamburg entscheidet sich bereits in den
Klassenräumen!
Doch nicht nur in den Schulen muss die Digitalisierung verstärkt Einzug halten.
Auch die berufliche Ausbildung muss ständig weiterentwickelt werden. Wir
müssen die Zahl derer, die Gestalter der intelligenten Transformation sind,
drastisch erhöhen, und die Zahl der bloßen "Zuschauer" im gleichen Umfang
reduzieren. Das gelingt durch zwei Faktoren: Weiterbildung und Motivation.
Meine Damen und Herren, liebe Unternehmerkolleginnen und –kollegen, setzen
Sie das Thema Weiterbildung nach oben auf die Tagesordnung Ihres
Unternehmens!
Und an die Politik appelliere ich: Flankieren Sie die Bestrebungen der
Unternehmen und engagieren Sie sich dafür, möglichst breite
Bevölkerungsschichten zu aktiven Gestaltern der Transformation werden zu
lassen!
Wir haben hier in Hamburg viele Kompetenzen im digitalen Bereich. Firmen von
Weltrang sind hier entstanden oder haben hier ihren Sitz. Vielleicht könnte man
diese Kompetenzen in einem Digitalrat der Stadt zusammenfassen und das
Wachstum und die Innovationskraft verstärken.
Hier gibt es gerade in Hamburg viele gute Ansätze, und ich möchte Sie
ermuntern, lieber Herr Bürgermeister, am Ball zu bleiben oder auch genau
diesen aufzunehmen!
Wir als Handelskammer stehen als Partner für einen solchen Digitalrat bereit.
Denn wir sind überzeugt davon, dass viele gute Köpfe etwas Besseres im Sinne
der Stadt entstehen lassen können.
Die Zukunft hat schon gestern begonnen und wir brauchen bei diesem Thema
Geschwindigkeit und damit meine ich nicht nur den 5G-Standard.
Was die Digitalisierung auch für die Dynamik von Prozessen bedeutet, lässt
sich an einem kleinen Beispiel sehr gut zeigen.
Ich habe mal nachgeschaut wie lange es gedauert hat, bis 50 Millionen
Menschen ein Produkt genutzt haben:
- 68 Jahre vergingen bei privaten Flugreisen
- 62 Jahre beim Automobil
- nach 12 Jahren hatten 50 Millionen Menschen ein Mobiltelefon
- 7 Jahre waren es beim Internet
- 3 Jahre bei Facebook
- nach einem Jahr nutzten 50 Millionen Menschen den asiatischen Dienst
- und was schätzen Sie, wie viel Zeit vergangen ist, bis 50 Millionen Menschen
Pokemon Go auf ihrem Handy hatten?
Nur 19 Tage!
Darum ist Dynamik bei der Digitalisierung so wichtig.
Im Juni dieses Jahres fand hier in der Handelskammer der erste Digitale
Bildungsgipfel statt. Und er war sehr erfolgreich. Das lag an dem Willen der
beteiligten Akteure – Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft –
gemeinsam die Herausforderung zu meistern.
Und darauf werden wir auch 2019 setzen.
Auch hier ist die gute Nachricht:
Wir haben angefangen - und uns auf den Weg gemacht.
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Das dritte Thema für eine erfolgreiche Zukunft der Hamburger Wirtschaft heißt
Klimaschutz und Energiewende.
In Hamburg gibt es seit über 20 Jahren ein Klimaschutzgesetz, seit über 10
Jahren eine Klimaschutzverordnung und seit 2015 den Hamburger Klimaplan.
Dieser enthält erstmalig nicht nur Maßnahmen zum Klimaschutz, sondern auch
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Er beinhaltet auch ehrgeizige
Ziele: Bis 2030 sollen die Hamburger CO2-Emissionen um 50 Prozent und bis
2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden.
Weil der Hamburger Klimaplan zurzeit überarbeitet wird, haben wir eine
Projektgruppe ins Leben gerufen, die die Beteiligung der Hamburger Wirtschaft
koordiniert. Wichtig ist dabei eine langfristige Strategie, die Planungs- und
Investitionssicherheit bietet.
Der Grundgedanke muss sein, die Herausforderungen des Klimawandels
offensiv anzugehen und die Chancen zu nutzen, die sich für die Hamburger
Wirtschaft als Vorreiter ergeben.
Dies gilt auch für die Energiewende: Hamburg hat sich in den letzten Jahren zu
einem Schaufenster für die Energiewende entwickelt.
Mit bundesl.nderübergreifenden Projekten wie „Norddeutschlands
Energiewende 4.0“ leisten große Konsortien von Unternehmen – auch unter
Beteiligung unserer Handelskammer – Beiträge zur Erprobung der
Energiewende.
Sie werden von der Bundesregierung mit vielen Millionen Euro durch das
Programm „Schaufenster Intelligente Energie“ gefördert.
Daher verwundert es nicht, dass die Hamburger Unternehmen die
Energiewende deutlich positiver einschätzen, als der Bundesdurchschnitt.
„Grüne“ Technologien aus Hamburg werden mittlerweile von unserer
Handelskammer als Exportchance beworben.
Deutlicher Nachholbedarf besteht in den Bereichen Wärme und Verkehr.
Durch den Rückkauf des Fernwärme-Systems hat Hamburg die Chance,
bundesweit zum Vorreiter in Sachen Fernwärme zu werden. Dabei darf jedoch
nicht nur die Ökologie eine Rolle spielen.
Im Sinne des energiepolitischen Zieldreiecks müssen auch
Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit angemessen berücksichtigt
werden.
Im Verkehrsbereich tritt Hamburg seit Jahren auf der Stelle: Die Entwicklung
der Elektromobilität läuft eher schleppend, auch wenn wir bundesweit
Spitzenreiter bei den öffentlich zugänglichen Ladesäulen sind.
Aber reicht es, der Einäugige unter den Blinden zu sein?
Bei anderen alternativen Antrieben wie Wasserstoff oder Flüssig-Erdgas (LNG)
tut sich noch weniger.
Unsere Handelskammer wird daher gemeinsam mit der IHK Nord im Herbst
nächsten Jahres ein internationales Wasserstoff-Symposium durchführen.
Damit wollen wir einen Impuls setzen, um die Nutzung von Wasserstoff
voranzutreiben. Hamburg und Norddeutschland können eine Vorzeigeregion für
die Nutzung von Wasserstoff werden.
Hierfür müssen allerdings die Erzeugung und die Bereitstellung von Wasserstoff
auf Basis erneuerbarer Energien gefördert werden.
Und dafür hat Norddeutschland die besten Voraussetzungen! Denn wenn Sie
bei normalem Hamburger Wetter einmal nachts Ihr Fenster öffnen und den Kopf
heraushalten, dann werden Sie feststellen: Der Wind ist immer noch da. Auch
wenn alle anderen schlafen und in dieser Sekunde kaum Energie verbrauchen.
Ich begrüße es daher sehr, dass sich vor kurzem unter Federführung der
Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation ein Wasserstoff-Netzwerk
gegründet hat, das alle relevanten Akteure zusammenholen möchte.
Besonders positiv ist dabei, dass es sich um ein bundeslandübergreifendes
Netzwerk handelt, das Hamburg und Schleswig-Holstein umfasst. Lassen Sie
uns so die Synergien nutzen!
Die gute Nachricht ist also:
Wir haben angefangen - und uns auf den Weg gemacht.
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Ich komme abschließend zum Zukunfts-Thema Wissenschaft.
Das ist Zukunft pur!
Die Universität Hamburg hat im Exzellenzwettbewerb des Bundes für die
Hochschulen alle vier beantragten Exzellenzcluster erhalten.
Hierzu gratuliere ich der Universität Hamburg noch einmal sehr herzlich!
Damit kann sich die Universität zusätzlich auch als „Exzellenzuniversität“
bewerben und so ein weiteres Erfolgslabel für Forschung „made in Hamburg“
einwerben.
Auch in der angewandten Forschung gibt es deutliche Fortschritte: Hamburg
hat sich mittlerweile mit sechs Einrichtungen fest als Fraunhofer-Standort
etabliert.
Diese positiven Entwicklungen sind prima.
Nun geht es aber darum, die Unternehmen enger einzubinden, um Hamburg
auch als Innovationsstandort zu stärken. Lassen Sie uns die richtigen Partner
auf Wissenschafts- und Wirtschaftsseite zusammenbringen.
Die Handelskammer hat hierfür eine Vielzahl von Formaten entwickelt.
Schließlich geht es darum, die Kompetenzen der Wissenschaft AUCH für die
Unternehmen sichtbar zu machen. Wissenschaft und Wirtschaft können, sollen
und müssen voneinander profitieren.
Allerdings wünsche ich mir in vielen Bereichen noch mehr Mut und noch mehr
Entschlossenheit. Warum nicht auch einmal nach den Sternen greifen?
Ein gutes Beispiel ist die im Grunde positive Entwicklung der TU Hamburg.
Mehr Geld, mehr Studenten, mehr Professoren - und eine noch stärkere
Profilbildung – das sieht die Wachstumsstrategie der Stadt für die nächsten
zehn Jahre für die Technische Universität vor.
Die Kapazitäten in der Ingenieurausbildung sollen ausgebaut und die
Schlagkraft in Forschung und Entwicklung erhöht werden.
In einer ersten Phase von 2018 bis 2022 soll der landesmittelfinanzierte Teil
des Budgets um 25 Prozent wachsen; zusätzliche 3,8 Mio. Euro wurden für das
Jahr 2018 bereitgestellt.
Zukünftig sollen 10.000 Studierende an der Hochschule ausgebildet werden.
Nach der moderaten ersten Phase soll die TU Hamburg in der zweiten Ausbau-
Phase bis 2028 zur Gruppe der „TU9“ aufschließen, also dem
Zusammenschluss der führenden neun Technischen Hochschulen in
Deutschland.
Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt für den Innovationsstandort Hamburg.
Wie schwierig er jedoch ist, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen.
Während das Budget der TU Hamburg im Jahr 2016 124 Millionen Euro betrug,
davon 69 Millionen aus öffentlichen Betriebsmittelzuschüssen, betrug das
Budget der TU München 1,4 Milliarden Euro, wovon 630 Millionen der Freistaat
Bayern trug.
Die Zahlen machen deutlich, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben,
wenn wir über Wissenschaft und Innovation mehr Dynamik in Hamburg
entwickeln wollen.
Die positive Nachricht bleibt aber, dass wir auch hier angefangen haben – und
uns auf den Weg gemacht haben.
_________________
Meine Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Senatorinnen und Senatoren,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Parteien der Bürgerschaft,
in meiner Rede habe ich aufgezeigt, dass es in Hamburg in einer Reihe von
Feldern Handlungsbedarf gibt.
Unsere Handelskammer steht bereit, gemeinsam mit der Politik – und auch
gerne wie gefordert auf Augenhöhe - nach Lösungen zu suchen.
Das kommende Jahr wird aufgrund der zu Beginn des Jahres 2020
anstehenden Bürgerschaftswahlen ein Jahr des Wahlkampfs sein. (In der
Kammer wird übrigens auch gewählt.)
Dies bietet die Gelegenheit, neue Ideen für unseren Standort zu entwickeln und
diese mit der Wirtschaft und den Bürgern unserer Stadt zu diskutieren.
Die Handelskammer wird sich an diesen Diskussionen gerne und konstruktiv
beteiligen.
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Meine Damen und Herren,
Im Rückblick auf das Jahr 2018 danke ich
dem Senat und dem Bürgermeister,
den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Europäischen
Parlaments, der Bürgerschaft und der Bezirksparlamente,
den Behörden des Bundes und der Freien und Hansestadt Hamburg
sowie den Organen der Justiz
für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit.
Ich schließe in diesen Dank die Kirchen, das konsularische Korps, die
Bundeswehr, die Polizei, die Feuerwehr, die Verbände, die Kammern, die
Medien und die Gewerkschaften ein.
Ich danke der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns für die Möglichkeit,
heute zu Ihnen sprechen zu können.
Ich danke all denen, die in guter Hamburger Tradition mit Stiftungen, Spenden,
Steuermitteln und Tatkraft unser Gemeinwesen gefördert und auch geholfen
haben, soziale Nöte zu lindern.
Zu guter Letzt – danke ich der Handelskammer Hamburg.
Das sind alle 160.000 Mitglieder und die vielen, vielen Ehrenamtlichen.
Vielen Dank an alle Plenarmitglieder und meine Kolleginnen und Kollegen im
Präsidium.
Vielen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen.
Vielen Dank natürlich auch an die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter dieses Hauses.
Vielen Dank den Wirtschaftsjunioren für ihr Engagement.
Und der Dank geht auch und insbesondere an die über 4.000 ehrenamtlichen
Prüferinnen und Prüfer – ohne Sie könnten wir unsere Aufgabe nicht erfüllen.
___________________
Meine Damen und Herren,
ich wünsche Ihnen und Hamburg ein gutes, ein gesundes und erfolgreiches
Jahr 2019.
Und denken sie dran:
Wir sind besser als das, was bisher war – solange wir uns gemeinsam auf den
Weg machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und kommen Sie gut ins neue Jahr.
___________________
Verein für Demokratie und Transparenz in Kammern e.V.
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